Montag, 5. April 2021

Pestizideinsatz sinkt aber die Giftbelastung steigt

Die gute Nachricht: Der Pestizideinsatz auf landwirtschaftlichen Flächen sinkt seit Jahren kontinuierlich. Die schlechte Nachricht: Das gilt für die Menge, aber nicht für die »Qualität« der Mittel, denn die hat es immer mehr in sich. Forscher in den USA nahmen das Phänomen der zunehmenden Giftbelastung gründlich unter die Lupe und kamen zu einem traurigen Ergebnis.

Source: Pixabay - hpgruesen
                 

»Manche Wirkstoffe sind sehr, sehr viel giftiger geworden«


Der Wandel begann in den 90er Jahren, seit damals unterlagen die Schädlingsbekämpfungsmittel in der Landwirtschaft stetigen Veränderungen. Davor kamen die Substanzen in großen Mengen aufs Feld, nicht nur, um unerwünschten Insekten den Garaus zu machen, sondern auch zur Vernichtung konkurrierender Wildpflanzen. Moderne Pestizide hingegen sind derart fein abgestimmt, dass gar nicht mehr viel von ihnen gebraucht wird, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Ralf Schulz von der Universität Koblenz-Landau, der die besagte US-Studie leitet, meint dazu: „Manche Wirkstoffe sind sehr, sehr viel giftiger geworden und werden in sehr viel geringeren Mengen eingesetzt: nicht mehr zwei oder drei Kilogramm pro Hektar, sondern unter Umständen nur mehr sechs, zehn oder 15 Gramm pro Hektar.“

Wirbelloses Tiere werden zunehmend Opfer von Giften


Die Untersuchungen fanden in den USA statt, die Wissenschaftler nahmen den Zeitraum zwischen 1992 und 2016 genau ins Visier. Sie stellten, dass die Breitenwirkung der historischen Pflanzenschutzmittel Wirbeltiere wie Vögel und Säugetiere stark gefährdete, was heute viel weniger der Fall ist. Mittlerweile Sind es hauptsächlich die wirbellosen Tiere, die unter dem Gifteinsatz zu leiden haben – das erstreckt sich von den Krebstieren in angrenzenden Seen und Flüssen bis hin den typischen Bestäuberinsekten wie unseren Bienen. Die Zielorganismen verfügen über einen sehr ähnlichen Stoffwechsel und ein vergleichbares Nervensystem wie die Nicht-Zielorganismen, sodass die Schädlingsbekämpfungsmittel an dieser Stelle keine Unterscheidungen treffen. Wirbellose Tiere haben heute deshalb viel mehr mit Giften zu kämpfen als noch vor 30 Jahren. Dass die Gesamtmenge der Pestizide abgenommen hat, kommt ihnen keineswegs zugute. 

Pflanzengifte: Probleme mit Resistenzen

Ein vergleichbares Bild zeigt sich bei Unkrautvernichtungsmitteln: Auch hier ist die Menge an giftigen Chemikalien in der Umgebung von Feldern gestiegen – mit möglichen Folgen für Blumen und Kräutern an den Rändern. „Die bilden zum Teil weniger Samen aus, sind also weniger fruchtbar. Zum Teil zeigen Studien, dass durch den Einsatz von Glyphosat bestimmte Pflanzenarten verschwunden sind.“
Hinter der Zunahme an Pflanzengiften steckt der Widerstand der Schädlingspflanzen. Sie entwickeln Resistenzen gegen die Mittel. „Das gilt zum Beispiel für Glyphosat, das in den USA sehr stark eingesetzt wird. Landwirte sind dadurch gezwungen, neben Glyphosat auch noch andere Herbizide einzusetzen. Das trägt dazu bei, dass insgesamt mehr Toxizität ausgebracht wird.“
Obwohl man auf Feldern mit genetisch veränderten Nutzpflanzen wie Mais und Weizen ein anderes Bild erwarten könnte, ist die Entwicklung auch hier vergleichbar. „Mit dem Anbau genetisch veränderter Pflanzen ging immer auch das Versprechen einher, dass dort weniger Pflanzenschutzmittel notwendig sind. Unsere Daten zeigen, dass sich der Einsatz nicht verändert. Vermutlich, weil es auch hier Probleme mit Resistenzen gibt“, so Schulz.

EU: Vermutlich ähnlicher Trend

Eins zu eins übertragen lässt sich die Studie auf Europa nicht, da der Pestizidmarkt stärker reglementiert ist als in den USA. Trotzdem kamen bzw. kommen auch hier vergleichbare Tier- und Pflanzengifte in der Landwirtschaft zum Einsatz.
So dürfen seit 2018 beispielsweise Neonicotinoide wie Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam und Thiacloprid nicht mehr im Freien eingesetzt werden. Über eine Notfallzulassung haben einige Länder sie für den Einsatz bei Zuckerrüben aber wieder erlaubt – auch Österreich.
Schulz rechnet deswegen auch in Europa mit einer vergleichbaren Entwicklung während der vergangenen 25, 30 Jahre, wonach das Gift für wirbellose Tiere und Pflanzen in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist.

Quelle: https://bit.ly/3sRCiIz

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